Ein Tag aus dem Leben der Tierärztin Mirjam Platzbecker

Montagmorgen 5.05 Uhr ertönt erbarmungslos Quaken aus dem Lautsprecher des Handys: Zeit zum Aufstehen, um den Kaffee und Proviant für den natürlich besten aller Ehemänner zu bereiten. Der gute Mann muss sich um kurz nach halb sechs schon auf den Weg nach Grevenbroich zu seinem Arbeitsplatz machen.

Danach noch eine Stunde Zeit zum Duseln …

Nein, um 5.50 Uhr klingelt das Handy schon wieder: Eine Katze hatte wohl eine Kollision mit einem Auto und bedarf sofortiger Hilfe. Also dementsprechend eine Katzenwäsche und schnelles Anziehen, denn die besorgten Besitzer des Tieres sind schon unterwegs in meine Praxis. Zum Glück hat der Kater „nur“ einen Schock, Abschürfungen und – wie sich beim Röntgen im Verlauf des Vormittags herausstellt – eine Lungenprellung. Aber er muss zur Beobachtung einen Tag im Katzen-Stationsraum der Praxis verbringen. Nach dem Unfall hält er dieses Verbleiben für einen Glücksfall.

Nachdem die Erstversorgung erfolgt ist, um kurz vor 7 Uhr noch einmal hinauf in die Privaträume, um einen Tee zu kochen. Zum Glück muss mein Sohn – übrigens natürlich auch der beste aller Söhne des Erdkreises – erst mittags nach Köln zur Uni, also ist noch Zeit genug für mich, in "Ruhe" mit den Hunden eine Runde an der Rur spazierenzugehen: das richtige Programm für einen Rheumatiker wie mich.

Nach dem Spaziergang Umziehen für die Praxis, und um 7.50 Uhr steht schon der erste Patientenbesitzer mit OP-Termin vor der Tür. Meine Helferinnen haben den OP-Raum und die Narkoseüberwachung bereits vorbereitet und die Hündin schon gewogen, die wegen fürchterlicher Scheinschwangerschaften kastriert werden muss. Nach der Verabreichung der Narkosemittel und Medikamente geht es in den OP, wo mich – wie gewohnt – das WDR 3 Klassik-Forum erwartet. Die klassische Musik hilft mir, mich auch bei anstrengenden und komplizierten Eingriffen zu konzentrieren und gleichzeitig entspannt zu bleiben. Da für menschliche Patienten die entspannnende Wirkung klassischer Musik während der Narkose nachgewiesen ist, bin ich überzeugt, dass es auch bei Tieren hilft.

Nach der zum Glück routinemäßig verlaufenen Operation gibt es für den Hund Bioresonanztherapie zur Narkoseausleitung und Wundheilungsförderung – und für mich einen ersten Tee. Aber es muss auch noch eine Katze sediert werden, die zur Zahnsanierung angemeldet ist. Und wie häufig am Montag füllt sich schon kurz nach halb neun das Wartezimmer mit Patienten und deren Besitzern.

Nach der Zahnsanierung und dem Schreiben der OP-Befunde geht es also gleich weiter mit der Sprechstunde. Es warten Hunde, Katzen und Frettchen zum Impfen, ein Yorkshire mit eingerissener Kralle, eine Katze mit Risswunde am Rücken, bei der ich nach der Sprechstunde noch eine Wundauffrischung machen muss.

Ferner gibt es: einige Blutentnahme-Termine bei chronisch kranken Patienten, ein Chamäleon mit Häutungsproblemen, Kaninchen und Meerschweinchen zur Ernährungsberatung und dann noch ein Deutsch-Drahthaar mit angebrochenem Halswirbel. Er wollte nur einem Vogel hinterher rennen, aber dann war da ein Baum im Weg. Zum Glück ist der Bruch nur am Dornfortsatz des zweiten Halswirbels, also muss man außer Ruhigstellung, Schmerz- und später Physiotherapie nichts unternehmen.

Als gegen halb 12 Uhr die Vormittagssprechstunde vorüber ist, werden die Risswunde der narkotisierten Katze noch versorgt und der Unfallkater vom frühen Morgen, der sich inzwischen etwas erholt hat, einer Röntgenuntersuchung unterzogen. Dann dürfen kurz nach 12 Uhr Verena und Regina in die Mittagspause, während Melanie die Mittagsschicht übernimmt, das heißt, sie macht den Telefondienst und besorgt den Reinigungs- und Instrumentenpflegedienst. Dafür hat sie später ab15.30 Uhr frei und Zeit, sich um ihren Privatzoo zu Hause zu kümmern.

Regina bleibt donnerstags und macht Wäsche und OP-Desinfektion. Verena kümmert sich am Freitag um Rechnungs- und Apothekenverwaltung. Ich schaffe es gerade noch, meinen Sohn zu verabschieden, der mit dem Zug nach Köln fahren muss. Dann warten da auch noch unsere drei Hündchen auf ihren Mittagsspaziergang, der uns auch heute zur Windener Heide führt. Es ist zwar nach dem langen Vormittag anstrengend. den Berg hinauf zu marschieren, aber dort oben ist es herrlich ruhig, und man hat eine wunderbare Aussicht auf das Rurtal, bei jedem Wetter ist das schön!

Danach warten die Kontrolle der operierten und stationären Patienten und ein Berg mit Rechnungen und Karteikarten auf mich und jede Menge Hausarbeit. So ist die Zeit bis um 15 Uhr im Nu verflogen. Da die Nachmittagssprechstunde, bei der mich montags meine Kollegin Monika Welters unterstützt, erst um 16 Uhr beginnt, habe ich jetzt eine Stunde Zeit, in Ruhe etwas zu essen, zu lesen und an einem Tag wie heute auch für zehn Minütchen die Augen zu schließen.

15.15 Uhr: Das Handy klingelt. Eine alte Schulfreundin, die auch den Weg aus Aldenhoven nicht scheut, um mit ihren Tieren zu mir zu kommen, hat einen Amselnestling gefunden und bittet bezüglich Fütterung und Pflege um Rat. Nach fünfzehn Minuten haben wir gemeinsam einen Aufzuchtplan entwickelt. So entfällt der Mittagsschlaf. und ich lese noch etwas Fachliteratur über eine Operation, die Ende der Woche ansteht.

Dann geht es um 16 Uhr weiter mit der Nachmittagssprechstunde und vielen kranken Tieren, von A wie Analbeutelentzündung bis Z wie Zystitis (Blasenentzündung). Um halb sieben erwartet mich noch eine sehr traurige Aufgabe. Der alte Schäferhund von langjährigen Klienten kann nicht mehr aufstehen. Schon lange haben wir seine chronische Rückenmarkserkrankung behandelt, aber jetzt versagen nicht nur seine Hinterläufe den Dienst, sondern auch Blase und Schließmuskel des Darmes.

Wir müssen ihn erlösen, bevor er sich noch mehr quält. Schlimm für die Besitzer, aber auch schwer für mich. Denn mein elfjähriger Schäferhund hat auch zunehmend Probleme mit seinem Rücken. Da bin ich immer auch mit betroffen.

Meine Kollegin muss noch eine Notkastration bei einem Kaninchen vornehmen, das sich im Käfig seinen Hodensack aufgerissen hat, während ich noch einmal den Unfallkater vom Morgen kontrolliere und dann die restlichen Schreibarbeiten erledige. Um 19.15 Uhr machen wir dann Feierabend.

Ich ziehe mich mal wieder schnell um und drehe mit unseren drei Hunden Nelson (Labrador, 12 Jahre), Sam (DSH, 11 Jahre) und Merlin (Zwerg-Rauhaardackel, 9 Jahre) die Abendrunde an der Rur. Wenn ich dann meine letzten Hausarbeiten erledigt und mit meinem Sohn etwas zu Abend gegessen habe, hat mein Mann auch Feierabend. Es ist 20.45 Uhr, wir sitzen endlich gemütlich beim Ofenfeuer auf der Couch. Da klingelt es wieder ... der hoffentlich letzte Notfall für heute ist ein Hund, der sich beim Abendspaziergang den Ballen aufgeschnitten hat. Aber ich bin ein doppelter Glückspilz, denn ich habe nicht nur ein ausgezeichnetes und gut zusammen arbeitendes Praxisteam, sondern auch eine Familie, die mir die vielen „Zwischenfälle“ verzeiht und nie meutert.

Um 22.30 Uhr bin ich dann endlich mit Allem fertig, frisch geduscht und hundemüde, da höre ich unten in der Praxis das Telefon klingeln ...